Überraschungsgeschenk mit Auflagen

Anmerkungen zum Gemälde WV-Nr. 1270:

Jever, Stadt, Wohnhaus Mühlenstraße 51, 1960er, 76×54 cm, Öl auf Leinwand, Privatbesitz (WV-Nr. 1270)

Fährt man aus südlicher Richtung in Jever hinein, fällt auf der rechten Straßenseite, kurz vor der Einmündung zur Anton-Günther-Straße, das markante Parkhotel mit seiner großen Gartenanlage und dem alten Baumbestand ins Auge. Arthur Eden wurde in den 1960er Jahren beauftragt, dieses Gebäude zu malen (Abb. 133). Die prachtvolle Villa, erbaut 1895, wurde ebenso vom jeverschen Architekten Theodor Eilers entworfen, der bis 1943 Hunderte Gebäude in der Stadt entwarf. Die Villa entstand auf dem Grundstück der 1880 abgebrochenen Pellmühle, die zuvor Georg Heinrich Frerichs gehörte und der ebenfalls als Bauherr der Villa fungierte. Später verkaufte er das Anwesen.
Das Gebäude besitzt einen L-förmigen Grundriss und einen Wintergarten. Besonders markant ist das Pferderelief aus Beton, das sich an der Nordseite des Gebäudes befindet und die Jahreszahl „1895“ trägt. Für dieses Relief zeichnete sich die Pferdezüchterfamilie Daun verantwortlich, die das Gebäude von 1905 bis 2018 besaß und bewohnte.

In den 1960er Jahren bewohnte das Ehepaar Daun das obere Stockwerk ihrer Villa. Zu dieser Zeit arbeiteten auch verschiedene Dienstleister im Haus. Frau Daun traf Arthur Eden eines Tages in der Nachbarschaft, als er gerade ein Wohnhaus malte. Neugierig fragte sie den Künstler, was ein solches Gemälde kosten würde. „Mit Rahmen 400 D-Mark“, antwortete Eden – ein für das Ende der 1960er Jahre üblicher Preis für ein gerahmtes Ölgemälde. Frau Daun beauftragte Eden kurzentschlossen, ihre Villa an der Mühlenstraße zu malen.

Es entstand ein Gemälde, das die Villa in einer Halbtotalen einfängt, wobei sowohl das Gebäude als auch seine umgebende Landschaft im Fokus stehen. Eden positionierte sich auf dem Gehweg der Mühlenstraße und wählte ein Querformat, um das weite Grundstück mit seinen gepflegten Rasenflächen und dem dichten Baumbestand wirkungsvoll darzustellen. Auf der linken Seite öffnet sich der Blick bis zum Horizont, wo bescheidene Einfamilienhäuser in der Ferne zu sehen sind. Der Herbst hat bereits Einzug gehalten: Blätter liegen verstreut auf dem Rasen, dem Gehweg und dem schmalen Pfad, der zur Eingangstür der Villa führt, an dessen Wand das subtile Pferderelief zu entdecken ist – aus der Distanz jedoch nur schemenhaft angedeutet. Der Himmel wirkt leicht diesig und still, als ob er die melancholische Atmosphäre der Jahreszeit widerspiegelt. Besonders auffällig ist, dass Eden sich entschied, die Villa nur teilweise darzustellen – die rechte Hälfte des Gebäudes wird von einem Baum verdeckt. Diese Komposition verleiht dem Bild eine gewisse Intimität und verdeutlicht gleichzeitig die markante Präsenz des Gebäudes, das dennoch unmissverständlich erkennbar bleibt.

Eine Anekdote am Rande: Frau Daun hatte Eden die Bedingung gestellt, dass er nur zu bestimmten Zeiten malte, wenn ihr Mann nicht zu Hause war, denn sie wollte ihn mit dem Gemälde zu Heiligabend überraschen.
Im Herbst begann Eden mit der Arbeit. Eines Tages jedoch war Herr Daun durch besondere Umstände unerwartet zu Hause und schaute aus dem Fenster seines Hauses auf die Mühlenstraße. Dort entdeckte er Eden, der mit aufgestellter Staffelei malte. Ab und zu ging Edens Blick direkt zu seinem Haus, während sein Gesicht ansonsten hinter der Leinwand verdeckt blieb. Darüber wunderte er sich sehr und wollte der Sache auf den Grund gehen. Er zog den Mantel an und lief über die Straße zu Eden. Auf die Frage, was er denn hier malen würde, erfuhr er nach einem kurzen Gespräch, dass eine Dame das Bild als Weihnachtsgeschenk bei ihm in Auftrag gegeben hatte, um ihren Gatten damit zu überraschen. Herr Daun tat am Heiligabend so, als sei ihm die Überraschung nicht bekannt, als er das Geschenk auspackte. Das Gemälde fand für die nächsten 60 Jahre einen Ehrenplatz im Wohnzimmer der Familie Daun, über dem Sofa. Später wurde es zusammen mit der Villa an den heutigen Eigentümer des Parkhotels verkauft, der das Gebäude mit viel Hingabe umbaute und erweiterte – sicherlich ganz zur Freude des lange verstorbenen Architekten Theodor Eilers und auch Arthur Eden, da sein Gemälde heute noch in dem Hause hängt.

Autor: Andreas Grundei