Anmerkungen zum Gemälde WV-Nr. 1250:
In den späten 1940er Jahren schuf Arthur Eden ein Gemälde der Straßenecke Kirchplatz und Flamenstraat (Abb. 44), das nicht nur die Architektur, sondern auch die Atmosphäre dieser historischen Szenerie einfängt. Auf der linken Seite des Gemäldes befindet sich das Gebäude mit der Hausnummer 8, ein bemerkenswerter Bau, der 1715 errichtet wurde. Der Schweifgiebel, der das Gebäude ziert, ist ein markantes architektonisches Merkmal und in der gesamten Region Weser-Ems einzigartig. Besonders auffällig ist der Segmentbogen, der den Giebel schmückt und stilistisch an die Architektur Amsterdams erinnert (siehe auch Abb. 45). Dieser Giebel, der die historische Baukunst in seiner formalen Eleganz widerspiegelt, wird durch das sanfte Licht der Nachmittagssonne ins rechte Licht gerückt und hebt sich prächtig vom restlichen Stadtbild ab.
Rechts von diesem Gebäude verläuft die Mauer des Apothekergartens, in die das alte Renteiportal integriert ist. Das Portal verleiht dem Bild eine zusätzliche historische Dimension. Hinter der Mauer blüht eine prächtige Kastanie, die fast ein Drittel der Bildfläche einnimmt und das Bild visuell dominiert. Diese Baumkrone, die sich in den Vordergrund drängt, verleiht dem Gemälde eine organische, lebendige Ausstrahlung. Interessanterweise ist der Baum in der Komposition der zentrale Punkt, da er das Bild strukturiert und die andere Architektur in den Hintergrund rückt. Keines der Häuser ist vollständig dargestellt – selbst das Gebäude mit dem einzigartigen Schweifgiebel ist nur zur Hälfte zu sehen. Dieser bewusste Ausschnitt, in dem das Gebäude nur fragmentarisch erscheint, verstärkt die Wirkung der Baumkrone und lässt den Betrachter den Fokus auf die Natur und ihre Verbindung zur städtischen Umgebung legen.
Der Blick aus der Perspektive des künstlichen Hügels des Kirchplatzes nach unten zur Schlossstraße verleiht dem Bild eine räumliche Tiefe und führt das Auge des Betrachters durch das Bild. Am Ende des Bildes wird die Schlossmauer sichtbar, die das Ende der Straße markiert und das Bild zu einem ruhigen Abschluss bringt. Am rechten Rand sind einige Häuser der Flamenstraat nur vage angedeutet, was dem Bild eine gewisse Offenheit verleiht und die Perspektive in die Weite der Stadt verlängert.
Die Nachmittagssonne, die in sanften, goldenen Tönen über die Szene strahlt, lässt die Gebäude und den Baum in einem warmen Licht erscheinen, wodurch die Hauptmerkmale des Bildes lebendig und plastisch wirken. Der Horizont ist tief angesetzt, was dem Bild eine klare und weite Perspektive verleiht. Der hohe Himmel darüber wirkt ruhig und fast unendlich, was die Weite der friesischen Landschaft und die Harmonie zwischen Natur und Architektur betont. Nahe der Bildmitte zieht das Renteiportal mit seinem Wappen die Aufmerksamkeit auf sich. Es bildet einen verbindenden Punkt zwischen dem urbanen Raum und dem grünen Apothekergarten und fügt sich nahtlos in die Komposition ein.
Insgesamt ist dieses Gemälde ein bemerkenswerter Ausdruck von Edens Fähigkeit, die Atmosphäre eines Ortes zu erfassen. Es verbindet architektonische Details mit einer beinahe poetischen Darstellung der Natur und schafft so eine zeitlose Darstellung eines historischen Moments im Stadtbild von Jever.
Das rund 400 Jahre alte Renteiportal, das 1902 nach den Plänen von Theodor Eilers in die westliche Gartenmauer der neu errichteten Hofapotheke eingebaut wurde, hatte ursprünglich einen anderen Standort (Abb. 46). Es bildete einst den südlichen Eingang des Renteigebäudes von 1558, das jedoch 1899 abgerissen wurde. Auf dem Portal ist die Friesinschrift zu lesen: „Haec domus exstructa est clarea dominante Maria“ – „Dieses Haus wurde unter der Herrschaft der berühmten Maria erbaut“. Über dem Türsturz befindet sich das Wappen von Jever, das von Löwen gehalten wird. Eine Fotografie des alten Renteigebäudes kurz vor dem Abriss zeigt das Portal am Ende der rechten Gebäudeseite (Abb. 47). Bemerkenswert ist auch hier ein Erker am Ende des Gebäudes, wo sich heute der Eingang der Hof-Apotheke aus dem Jahr 1902 befindet.
Das Portal, das in seiner grundlegenden Form der Renaissance zugeschrieben werden kann, ist aus Sandstein gefertigt. Bauhistoriker vermuten, dass die Säulen ursprünglich aus dem Audienzsaal des Schlosses zu Jever stammen und dort Bestandteil eines Kamins waren.
Im Jahr 1957 berichtete die Zeitung über die zunehmende Baufälligkeit des Renteiportals. Aufgrund seiner historischen Bedeutung und als Denkmal der alten Rentei von 1558 stand es bereits unter Denkmalschutz. In der Nordwest-Zeitung war 1957 folgendes zu lesen: „Mit großer Sorge erfüllt die Heimatfreunde der immer schlimmer werdende Verfall des alten Renteiportals am Kirchplatz. Alle Erörterungen darüber, ob und in welcher Weise die Erhaltung dieses zu den Sehenswürdigkeiten Jevers zählende Stück erhalten werden könne, sind bisher ergebnislos verlaufen. Es sollen aber nochmals Vorstellungen bei der Denkmalschutzbehörde erfolgen……Es bleibt zu wünschen übrig, dass ein Weg gefunden wird, um die spezifisch „stadtjeversche Merkwürdigkeit“, wie Sello sagte, in einer befriedigenden Form zu erhalten. Die Instandsetzung an dem jetzigen Platz zu finanzieren oder, wie vorgeschlagen worden ist, das Portal vielleicht im Heimatmuseum unterzubringen und es damit besser vor den Witterungseinflüssen zu schützen, dürfte allerdings noch manchen Schwierigkeiten begegnen.“
Das Portal wurde 1958 dem Heimatverein übergeben und fand später als eine der Türen zum Innenhof des Schlosses Verwendung.
Hans Fritz Busch, der als Sohn des Apothekers in diesem historischen Umfeld aufwuchs, erlebte die Veränderungen in der Stadt und den Verlust des Gartenstücks, das später zu einem Symbol für den Übergang der Stadt von der alten in die neue Zeit wurde: „Der Apothekengarten war für uns Kinder ein herrlicher Spielplatz. Er war von einer Mauer umgeben, neben der Kastanie gab es noch zwei gut tragende Birnbäume und Blütengehölze wie Kornelkirsche und japanische Zierkirsche, die herrliche Kletterbäume waren. Mein Vater (geb. 1903) hatte als Kind die Kastanie in den Boden gesteckt, aus der dieser schöne Baum wuchs. Wir konnten durch die Ritzen der in die Jahre gekommenen Holztür des Renteiportals den Kirchplatz beobachten. Der war damals der Mittelpunkt der Kinder aus der Umgebung. Wir trafen uns dort zum Knickern. So nannten wir die einfachen einfarbigen Tonmurmeln. Mit dem Hacken wurde ein Loch in den Boden gedreht und dann hieß es aus einem Abstand das Loch mit den Knickern zu treffen. Es gab damals auch schon die Glasmurmeln mit den Farbstreifen im Inneren, aber die waren kostbar.
In dem Haus mit dem Glockengiebel wohnte meine Großmutter im ersten Stockwerk. Durch den Garten konnte man von hinten in ihr Haus gelangen, um sie zu besuchen. Sie saß gerne in einem Ohrensessel mit Blick auf den Kirchplatz und erzählte uns Geschichten.
Nach dem Abbruch der Mauer 1973 wurde der Garten zum Parkplatz der Hof-Apotheke umgestaltet.“
Autor: Andreas Grundei